Albert Kramer
Anlässlich seiner Ausstellung in der Galerie zur Mansarde Winterthur 1984 hatte Albert Kramer auf Wunsch von Frau Ruth Gerber seine Biographie zu Papier gebracht. Er leitete sie ein mit der schüchternen Frage':
"Darf ich mich vorstellen."
Was folgt ist ein launig-schalkhaftes Selbstporträt: Im Herbst des Jahres 1929 wurde dem Ehepaar Jakob und Lina Kramer im Berg, Marthalen, der dritte Sohn Albert geboren, das bin ich. Auf diesem abgelegenen Bauernhof wuchs er mit drei Brüdern und einer Schwester auf. Seine Eltern waren mit ihrem Kleinbetrieb nicht auf Rosen gebettet. So musste er schon früh mithelfen bei leichteren Arbeiten.
Während der Schulzeit blieb trotzdem immer noch etwas Zeit übrig für Lausbubenstreiche mit Schulkameraden zusammen. Beim Hüttenbauen im Wald, da war er stets im Element. Aus alten Brettern, Blechen und was man so alles fand entstanden ihre Festunqen. In der Schule waren die Zeichen- und Malstunden ein glückliches Ereignis für mich. Die andern Fächer empfand er als notwendiges Uebel.
Nach einer achtjährigen Schulzeit half er noch zwei Jahre auf dem elterlichen Betrieb mit. Um das Handwerk eines Bauern zu erlernen, diente er während fünf Jahren auf verschiedenen grösseren Betrieben als Bauernknecht. Als sein Vater schwer erkrankte und 1953 starb, musste er wieder nach Hause zurückkehren, um den elterlichen Betrieb weiterzuführen. Es galt der Mutter und den drei minderjährigen Geschwistern mit Rat und Tat beizustehen. Finanziell ging es ihnen nicht besonders gut. Also hiess es, in die Hände zu spucken. Diese Zeit war sehr aufgabenreich, zählte doch der Arbeitstag sechzehn und mehr Stunden. Durch Wald- und andere Gelegenheitsarbeit verdiente Kramer etwas dazu.
Im Jahre 1957 übernahm Kramer eine Vertretung für Melkmaschinen. Durch Lesen von Fachbüchern erwarb er einige Grundkenntnisse über die Verkaufstätigkeit. Nach einigen Jahren intensiver Arbeit stellte sich auch der Erfolg ein.
Den Bund der Ehe ging er 1960 ein. Unserer Ehe entsprangen zwei Söhne. In dieser Zeit schien auch die Sonne wieder zwischen den Wolken durch.
Bei einer kleinen Verschnaufpause anfang 70-Jahren, hatte er gerade nichts Besonderes zu tun - bastelte Kramer seine erste Eisenplastik. Der Zufall wollte es, dass Soldaten einer Funkereinheit an einem kalten Novembertag zu uns zum Kaffee kamen. Einer der Feldgrauen sah das eiserne Ding und fragte, ob das von mir sei. Kleinlaut gab Kramer sein Verbrechen zu. Er fand es gut und riet mir, noch mehr solches zu machen. Am darauffolgenden Tag «bratete» er aus Alteisen einen Aschenbecher zusammen. Die Soldaten waren hell begeistert davon, sie sagten: «Hier sieht man es wieder, wie schön es die Bauern haben. Die können mitten im Tag etwas zusammenschweissen.» Der Mann, welcher ihm den Anstoss für seine künstlerische Tätigkeit gab, war der Holzschnittkünstler Heinz Keller.
In der folgenden Zeit beschäftigte Kramer diese Idee. Er sagte zu sich: «Versuche, etwas daraus zu machen.» Der Gedanke nahm in seiner Vorstellung Gestalt an, und er entschloss sich, aus alten Eisenteilen ein Bild zu gestalten. Nach ungefähr einem halben Jahr war es soweit, dass er fand: «Jetzt stimmt es!» Das Relief nannte ich «Das Leben auf der Erde». Es zählt heute noch zu seinen Lieblingswerken. Einige
Landwirte, mit welchen er im Melkmaschinengeschäft zu tun hatte, bestaunten es und gaben mir Mut, Neues zu schaffen.
Im folgenden Jahr war seine Hobby-Ausstellung. im Dorf Marthalen, wo er seine
Erstlingswerke ausstellen konnte. Die Reaktion der Dorfbevölkerung war erstaunlich. Alle hatten Freude an den wunderlichen Dingen. Kunstmaler Carl Wegmann spornte ihn an, weiter zu machen. Auch andere gutgesinnte Menschen gaben ihm Ratschläge. Mit Unterstützung guter Freunde konnte er bald an verschiedenen Orten ausstellen. Dadurch lernte er viele liebe Menschen kennen, denen er an dieser Stelle für ihr Wohlwollen herzlich danken möchte. Seit dem 18. Lebensjahr spielte Kramer im Musikverein Helvetia Marthalen mit. Dies gab ihm einen guten Ausgleich, und er glaubte, dass sich das auf sein künstlerisches Schaffen positiv auswirkt. Auch Kramer war sehr naturverbunden. In Pflanzen und Tieren sind Harmonie und viele unergründbare Geheimnisse verborgen, die es zu entdecken gilt.» Das sei «ein kleiner Einblick» in seinem Leben. Wer mehr erfahren möchte über seine «schöpferische Tätigkeit», dem gab er gerne Auskunft. Damit zeigt Albert Kramer, dass er offen war und keinerlei alchimistische Geheimniskrämerei betrieb. Man durfte erfahren, wie er seine Figuren «hervorzaubert». Gleichzeitig brachte er aber zum Ausdruck, dass er sich selber als Person nicht vordrängen wollte. Mit seiner natürlichen Bescheidenheit würde sich das ohnehin schlecht vertragen.
Unter dem Titel "Fünfundzwanzig Jahre künstlerisches Gestalten" hat Albert Kramer 1996 ein paar weitere Sätze verfasst, die nicht mehr als eigentliche biografische Notizen angesehen werden dürfen, viele mehr als Selbstbeurteilung und knappe Darstellung dessen, was ihm seine künstlerische Arbeit gebracht hat. Seit 1974 hatte er eine Werkstatt, die für ihn ein «kleines Königreich» wurde. Doch lassen wir ihn selbst zu Worte kommen:
«Bevor ich mich mit Kunst beschäftigte, gehörte ich zu der Sorte Mensch, die glaubten, Künstler seien Drückeberger und Tagediebe. Ein Einblick in dieses Fach liess mich bald erkennen, dass auch einem Künstler die gebratenen Tauben nicht in den Mund fliegen. Unzählige Stunden harter Arbeit, zwischendurch auch Enttäuschungen, sind die Wegbegleiter. In dieser Zeit habe ich viele erfolgreiche Ausstellungen hinter mich gebracht, was ich am Anfang kaum für möglich hielt. Eine grosse Anzahl Mitmenschen aus allen Berufsgattungen sind Liebhaber meiner Alteisenfiguren geworden. Auch durfte ich verschiedene Aufträge von Privatpersonen und der öffentlichen Hand ausführen. Durch die kreative Tätigkeit sind viele Freundschaften entstanden.»
Auf unzähligen Einzel- und Gruppenausstellungen sowie eine Fernsehsendung auf SRF darf Albert Kramer zurückblicken. Das war eine Erfolgsbilanz, die manchen Kollegen neidisch machen könnte. Aber, kann man auf einen Künstler neidisch sein, der seine Ausstellungsliste mit der bescheidenen, ja fast schüchtern wirkenden Formulierung einleitet: «An folgenden Orten habe ich meine Werke bereits zeigen dürfen»? Die nachfolgende Liste gibt einen chronologischen Überblick und zeigt gleichzeitig, dass der Ruf Albert Kramers nicht nur über regionale und kantonale Grenzen hinausreicht, er ist auch im angrenzenden Ausland kein Unbekannter mehr.